Mensch & Politik Sekundarstufe II - Rheinland-Pfalz Sozialkunde
Hauptbd. . / Mit Beitr. von Uwe Brandt ...
Hauptbd. . / Mit Beitr. von Uwe Brandt ...
Die 'geistig-moralische Wende' von 1982 löste auch an den Hochschulen eine Phase der Restauration aus. Studentische Verbindungen, die im Gefolge der Studentenbewegung von 1968 politisch fast bedeutungslos geworden waren, haben wieder Zulauf und gewinnen in der Öffentlichkeit an Boden. In der vorliegenden Studie wird die 'Deutsche Burschenschaft' - der prominenteste Korporationsverband - einer kritischen Analyse unterzogen. Untersucht wird in einem historischen Längsschnitt die deutsche und österreichische Burschenschaftsgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart. Dabei wird deutlich, wie völkisch-nationalistisches Denken das burschenschaftliche Weltbild von Beginn an formte und bis heute prägt. Es bildet die Basis für ein Gesellschafts- (besser: 'Volksgemeinschafts'-), Politik- und Staatsverständnis, das in seiner Substanz in Konkurrenz und Widerspruch zu den Grundsätzen demokratisch verfaßter Gesellschaften steht. Für die Gegenwart wird nachgewiesen, wie sich Ideologie und Programmatik dieses Verbandes, vor allem unter dem Einfluß österreichischer Burschenschaften, den Theorien einer sich selbst als 'Neue Rechte' bezeichnenden Strömung des Rechtsextremismus immer stärker zuwenden. Vielfach belegte Aktivitäten einzelner Burschenschafter und Burschenschaften dokumentieren eine doch relativ stabile Verankerung im rechtsextremen Milieu, die mittlerweile selbst von Verbindungsstudenten anderer Dachverbände kritisiert wird.
Emil Julius Gumbel und der rechte Terror in der Weimarer Republik
Pazifistisch, sozialistisch, jüdisch und intellektuell – bereits eines dieser Attribute reichte in der Weimarer Republik aus, um von der national-völkischen Rechten zum politischen Feind erklärt zu werden. Emil Julius Gumbel, Professor der Mathematik in Heidelberg, vereinte all dies in seiner Person. Zudem legte er sich in seinen Schriften an mit den Mordbanden und Putschisten, den Wehrsportgruppen und Geheimbünden, der »Schwarzen Reichswehr« und den Fememördern; aber auch mit einer Justiz, die all deren Verbrechen und Schandtaten deckte und eine Bestrafung der Täter in aller Regel verhinderte. Die Folge: Bereits vor der so genannten Machtergreifung wurde Gumbel von einer Phalanx aus Korporations- und Nazi-Studenten sowie rechtsgerichteten Professoren von der Hochschule vertrieben. Dietrich Heither erinnert an einen Demokraten, der den Mut aufbrachte, die Mörder von rechts und ihre Hintermänner beim Namen zu nennen, und dabei mehrfach auch seine persönliche Existenz aufs Spiel setzte.
In den Morgenstunden des 25. März 1920 wurden bei Mechterstädt in Thüringen 15 Arbeiter aus Thal von 14 Marburger Verbindungsstudenten des Marburger Studentenkorps „auf der Flucht“ erschossen. Absprachen zwischen Anklage und Verteidigung, manipulierte Zeugen und sogar das Verschwindenlassen von Beweismitteln machten bereits im Ansatz ein rechtsstaatlichen Ansprüchen genügendes Gerichtsverfahren unmöglich. Die Täter wurden freigesprochen. „Mechterstädt“ steht seither synonym für den barbarischen innenpolitischen Krieg gegen die „Novemberverbrecher“, für die Kontinuitäten einer vordemokratischen Gesinnungsjustiz und die folgenschwere Radikalisierung des Konservatismus im Netzwerk völkisch-nationalistischer Organisationen. Die umfassende Studie analysiert Ursachen wie folgenschwere Wirkungen rechtsradikaler Gewalt der akademischen Rechten in der Weimarer Republik.
Die Deutsche Burschenschaft umfasst derzeit etwa 120 Verbindungen mit gut 1.300 Aktiven und ca. 10.000 Alten Herren. Die Geschichte dieses prominentesten Dachverbandes studentischer Verbindungen zeichnet sich durch eine Kontinuität antidemokratischer, national-völkischer, männerbündischer und elitärer Haltungen aus. Diese setzten sich bald nach Gründung der Urburschenschaft im Jahr 1815 immer mehr durch. Sie reichen weiter vom alldeutschen Weltmachtstreben im Kaiserreich über die Bekämpfung der Weimarer Republik und die frühzeitige Unterstützung der NSDAP bis in die Gegenwart. Heute ist das politische Weltbild der Burschenschaften Grundlage für vielfach belegte Verflechtungen von burschenschaftlichen Mitgliedern mit rechtsextremen Gruppierungen. Der Band zeichnet Geschichte und Ideologie der Burschenschaften nach und zieht eine Bilanz aus deren 200-jährigem Wirken.