Im vorliegenden Band wird der pädagogische Takt als eines der wichtigsten Konstrukte der Erziehungswissenschaft zur Konkretisierung des Theorie-Praxis-Transfers näher bestimmt und der differenzierten wissenschaftlichen Forschung zugeführt. Der erste Teil umfasst Beiträge mit aktueller Bestandsaufnahme und Analysen für eine sozialwissenschaftliche Theorie des pädagogischen Takts. Zunächst erfolgt eine Diskussion der wichtigsten Probleme und Hindernisse, die den Theorie-Praxis-Transfer erschweren. Sodann diskutieren Sabine Seichter und Dietrich Benner in ihren Beiträgen den Takt aus geisteswissenschaftlicher Sicht, und van Manen präsentiert seinen phänomenologischen Ansatz. Schließlich wird ein Entwurf zu einer umfassenden Theorie des pädagogischen Takts vorgestellt. Im zweiten Teil des Bandes werden konkrete empirische Untersuchungen aus dem Projekt „Pedagogical Tact“ vorgestellt, welche es erlauben, Hypothesen aus der genannten Theorie zu prüfen, die sich auf die subjektiven Theorien von Praktikerinnen und Praktikern beziehen. Den Abschluss bilden allgemeine Überlegungen zur weiteren Erforschung des pädagogischen Takts.
Angela Gastager Libri




Subjektive Theorien sind Vorstellungen von Menschen über Phänomene und deren Zusammenhänge. Sie sind gleichsam innere Bilder, die im Laufe von praktischen Erfahrungen unbewusst „wachsen“. Als Objekte dieser Vorstellungen kommen besonders Ereignisse in Frage, die mit Erziehung zusammenhängen. Der Pädagogische Takt als Mittelpart zwischen Theorie und Praxis ist ein wichtiger Ansatzpunkt der Subjektiven Theorien von Menschen. In diesem Buch wird versucht, theoriegeleitet und kritisch reflektiert Antwort auf die damit einhergehenden Fragen zu geben. Gedanken zum eigenen Tun in unterschiedlichen sozialen Handlungsfeldern werden mittels der an der Universität Salzburg entwickelten Strukturbild-Matrizen-Analyse von PraktikerInnen unterschiedlicher sozialer Handlungsfelder untersucht. Im Anwendungsteil erfolgt eine Besprechung der konkreten Umsetzung dieses mittlerweile zehn Jahre erprobten Forschungsverfahrens: Es wird gezeigt, dass dieses Konzept in allen Bereichen pädagogischen Handelns greift. In den einzelnen Beiträgen werden Studien aus den Feldern Jugendarbeit, Schulberatung im Krankenhaus, Partizipation in der Schule und Umgang mit Heterogenität im Schulunterricht dargestellt und Potenziale des Ansatzes kritisch-reflexiv diskutiert.
Wie werden Paradigmen, die auf wissenschaftlicher Ebene zumeist als einander ausschließend wahrgenommen werden, von Praktikern im Hinblick auf das konkrete Handeln verarbeitet? Als prototypisch repräsentierte Paradigmen werden in dieser Studie der (moderate) Konstruktivismus einerseits und die „traditionellen“ didaktischen Ansätze andererseits verwendet. Es wird von der Hypothese ausgegangen, dass für Praktiker im Hinblick auf angemessenes Handeln (in Unterrichtssituationen) eine Theorienkoexistenz erforderlich ist. Dies wird anhand der Subjektiven Theorien von Lehrern untersucht; diese Subjektiven Theorien können für den Praktiker vergleichbare Funktionen wie wissenschaftliche Theorien für Wissenschaftler haben: Erklärung und Handlungsleitung. Die Subjektiven Theorien bezüglich der zwei didaktischen Paradigmen Konstruktivismus und „traditioneller“ (herkömmlicher) Unterricht werden einerseits daraufhin untersucht, (1) welche Beziehungen innerhalb der erfassten Paradigmen und (2) welche Beziehungen zwischen den Paradigmen fest zu stellen sind und andererseits daraufhin, wie groß der Anteil an repräsentierten Kognitionen ist, der nicht ausschließlich dem einen oder anderen Paradigma zuzurechnen ist, ergo einem Übergangsbereich angehört, und zwar (3) für jeden einzelnen untersuchten Lehrenden.