Michael Pawlik Libri






Die Allgemeine Verbrechenslehre bildet das zentrale Element der Strafrechtsdogmatik. Michael Pawlik verbindet philosophische und dogmengeschichtliche Analysen mit der Untersuchung aktueller strafrechtlicher Entwicklungen zu einem innovativen Konzept des verbrecherischen Unrechts. Sein Ansatz basiert auf der Straftheorie, wobei er die „Weisheit der absoluten Theorien“ (W. Hassemer) neu interpretiert. Für Pawlik bedeutet das Begehen einer Straftat, die Bürgerpflicht zu verletzen, die zur Aufrechterhaltung der bestehenden Freiheitsordnung beiträgt; die Strafe ist die Konsequenz eines Bruchs dieser Verpflichtung. Er analysiert die Kriterien, die den Inhalt der strafbewehrten Mitwirkungspflicht bestimmen. Durch die moral- und staatsphilosophische Unterscheidung zwischen negativen und positiven Pflichten entwickelt er ein umfassendes System der Zuständigkeiten, das über Unterlassungsdelikte hinaus auch für Begehungsdelikte und Rechtfertigungsgründe relevant ist. Zudem ist es entscheidend, die Bedingungen zu definieren, unter denen diese Pflicht als verletzt gilt. Die Zuständigkeitslehre benötigt eine Ergänzung durch eine Zurechnungslehre. Anstelle der traditionellen Unterscheidung zwischen Unrecht und Schuld führt Pawlik einen einheitlichen Begriff des Kriminalunrechts ein. Es existiert nur eine relevante Pflicht: „Unterlasse zuständigkeitswidriges Verhalten!“, und entsprechend gibt es nur eine bedeutende Zurechnungsprüfung: Hat der
Der rechtfertigende Notstand
Zugleich ein Beitrag zum Problem strafrechtlicher Solidaritätspflichten
- 398pagine
- 14 ore di lettura
Bereits im vergangenen Jahrhundert begannen die neueren rechtsphilosophischen und strafrechtsdogmatischen Auseinandersetzungen um den rechtfertigenden Notstand. Seitdem ist der Strafrechtswissenschaft bewußt, daß dieses Rechtsinstitut stark irreguläre Züge aufweist. Worin diese Irregularität liegt, macht ein vergleichender Blick auf die Notwehrregelung deutlich. Wer sich in einer Notlage befindet, darf zwangsweise auf Rechtsgüter eines Dritten zugreifen. Notwehr- und Notstandsrecht gestatten das. Die Eingriffsbefugnis erweist beide Regelungen als Ausnahmen vom Grundsatz des staatlichen Gewaltmonopols. Das staatliche Gewaltmonopol ist von zentraler Bedeutung für den modernen, den Schrecken der Anarchie und des Bürgerkriegs abgerungenen Staat. Es behält die gerechtfertigte Ausübung von Zwang prinzipiell den zuständigen staatlichen Organen vor; auf seiten der Bürger entspricht ihm eine generelle Friedenspflicht. Die Notrechte schränken den staatlichen Rechtsschutzvorrang gerade in den besonders heiklen Fällen akut zugespitzter Konflikte ein.
Seit vielen Jahrzehnten spielen argentinische Wissenschaftler eine bedeutende Rolle in der internationalen Rechtsphilosophie. Der Band präsentiert einen Querschnitt von zwölf repräsentativen neueren Arbeiten aus dem Grenzbereich von Rechtsphilosophie und Strafrecht. Hervorgegangen sind sie aus einem in Córdoba beheimateten Forschungsseminar, das zu den Zentren der rechtsphilosophischen Diskussion in Argentinien gehört. Das Strafrecht bildet einen der thematischen Schwerpunkte des Seminars, denn aufgrund seiner ausgefeilten dogmatischen Struktur ist es ein besonders fruchtbares Feld zur Anwendung und Überprüfung rechtsphilosophischer Konzeptionen. Sämtliche Aufsätze zeichnen sich durch die Zusammenführung englisch-, spanisch- und deutschsprachiger Stimmen aus. Sie bieten nicht nur einen Einblick in eine hochentwickelte, in Deutschland aber noch weitgehend unbekannte Argumentationskultur, sondern vermitteln auch der hiesigen strafrechtsphilosophischen Auseinandersetzung wichtige neue Anregungen.
Normbestätigung und Identitätsbalance
Über die Legitimation staatlichen Strafens
„Warum darf der Staat strafen?“ Dies ist die Ausgangsfrage jeder ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Strafrecht. Der Verfasser beantwortet sie in einem weiten gedanklichen Bogen. Im Anschluss an die Tradition republikanischen Freiheitsdenkens begreift er strafwürdiges Unrecht als Verletzung der Pflicht, an der Aufrechterhaltung des Rechtszustandes mitzuwirken. In ihrer Bestrafungspraxis demonstriert die Rechtsgemeinschaft demgegenüber auf Kosten des Täters die Unauflöslichkeit des Zusammenhangs von Pflichterfüllung und Freiheitsgenuss. Kein Strafrechtsanwender kann sich seiner Mitverantwortung für die damit verbundenen Härten entziehen. Er muss sich vielmehr darum bemühen, seine beruflichen Tätigkeit und seine persönliche Integrität in ein ausbalanciertes Verhältnis zueinander zu setzen. In seiner Verknüpfung philosophischer und verbrechenstheoretischer Gedankengänge bildet der Text die Summe der langjährigen Auseinandersetzung des Verfassers mit Grundproblemen des Strafrechts.
In Abgrenzung zum herkömmlichen Kriegsrecht wird eine Definition des Terrorismus, insbesondere des religiös motivierten, transnationalen Terrorismus vorgenommen, der sich trotz aller Unterschiede als Instrument der Kriegsführung darstellt. Davon ausgehend wird der strafrechtliche und der präventionsrechtliche Umgang mit dem Terrorismus untersucht. Für Strafrechtler, Staatsrechtler und Politologen.
Person, Subjekt, Bürger
Zur Legitimation von Strafe.
In der deutschsprachigen Diskussion zur Legitimation von Strafe hat sich in den letzten Jahren ein bemerkenswerter Trend vollzogen. Die Auffassung, dass selbst die fortschrittlichsten Präventionstheorien, insbesondere die positive Generalprävention, nicht die erwarteten Ergebnisse liefern konnten, gewinnt an Bedeutung. Infolgedessen richtet sich das wissenschaftliche Interesse wieder vermehrt auf Vergeltungslehren. Michael Pawlik zeigt auf, dass sowohl die Abkehr von präventiven als auch die Rückkehr zu retributiven Straftheorien gerechtfertigt sind. Er entwickelt auf Basis einer detaillierten Kritik an bisherigen Auffassungen ein neuartiges, freiheitstheoretisch abgesichertes Verständnis der Vergeltungstheorie. Diese Konzeption unterscheidet verschiedene Unrechtsformen: das „Unrecht der Person“, das „Unrecht des Subjekts“ und das „Unrecht des Bürgers“. Das spezifisch strafrechtliche Unrecht wird als Unrecht des Bürgers verstanden. Der Täter verletzt nicht nur seine Pflicht gegenüber dem Opfer, sondern auch seine Verpflichtung zur Loyalität gegenüber dem gemeinsamen bürgerschaftlichen Projekt eines „Friedens durch Recht“. Die Strafe antwortet auf diese Loyalitätsverweigerung, indem sie den Täter an seiner Mitverantwortung für das Allgemeine festhält und ihn auf diese Weise „als Vernünftiges“ ehrt (Hegel).