Kafka-Sequenzen zum Schloss: Die zweite Aufklärung
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Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt." Das Heute des Psalmverses 2,7 hat der Apostel Paulus nicht auf die ewige Zeugung des Sohnes aus dem Vater vor aller Zeit, auch nicht auf die Zeugung des messianischen Kindes in der Zeit, sondern auf die Auferstehung Jesu Christi bezogen (vgl. Apg 13,32 f.).Im Lichte der Auferstehung Jesu deutet Kurt Anglet die "Offenbarung Jesu Christi" (Offb 1,1), dessen messianische Herrschaft in der Zeit der Vollendung. Dabei geht er auf ihren Widerpart ein, wie ihn der Philosoph Walter in seinem Fragment "Kapitalismus als Religion" als "Kult ohne Dogma" beschrieb - auf den Kultus des Todes, dessen Protagonist Nietzsches Übermensch verkörpert. Seine Vollendung hat er jedoch in der Philosophie Heideggers erfahren, so in der "Eschatologie des Seyns" im vierten Band der "Schwarzen Hefte (1942-1948)", deren antichristlichen Grundzug Anglet abschließend darlegt.
"Das Kreuz Jesu Christi bildet den messianischen Wendepunkt der Geschichte, wie Jesus vor dem Hohen Rat bekennt: 'Von jetzt an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken kommen sehen.' Infolge der Selbstverabsolutierung des neuzeitlichen Menschen ändert sich jedoch die Blickrichtung: 'Alles wird zur Vergangenheit', so ein Wort Hegels, das sich in den Katastrophen des 20. Jahrhunderts bewahrheiten sollte. Gleicht die jüngste Geschichte aus historischer Perspektive einem wahren 'Höllensturz' (Ian Kershaw), so offenbart sich über allen Abgründen der Geschichte, über Tod und Untergang, die Herrschaft des am Kreuz Erhöhten: 'Denn er muss herrschen, bis Gott ihm all Feinde unter die Füßegelegt hat' (1 Kor 15,25). Von hier aus erscheint die Geschichte, so leidvoll sie ist, in einem neuen Licht, wie Kurt Anglet in seiner Abhandlung darlegt, die den Blick vom Kreuz aus auf die Wiederkunft Christi richtet - nich auf Untergang, sondern auf die Vollendung der Zeit." -- Publisher, page four of cover
"Der Traum des modernen Zeitgenossen, die Zukunft zu beherrschen, ist seit geraumer Zeit zum Albtraum geworden, wie bereits Friedrich Nietzsche im Zarathustra erkannte: Zu weit hinein flog ich in die Zukunft: ein Grauen überfiel mich. / Und als ich um mich sah, siehe! da war die Zeit mein einziger Zeitgenosse. Damit ist die Aporie unseres heutigen säkularen Zeitverständnisses auf den Begriff gebracht: nicht über die Zeit, in der wir stehen, hinauszufinden - gleich, ob es sich darum handelt, Unwettern oder Seuchen wie der Corona-Pandemie ausgeliefert zu sein oder wie beim Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan gegen globale Zeitläufte ankämpfen zu müssen. Um die Zeichen dieser Zeit zu deuten, führt bloße Zeitgenossenschaft nicht weiter. Es gilt, wachsam zu sein: Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde." -- Page 4 of cover
Theologie im Zeitalter des Schweines. Zu Nietzsche und Heidegger
Gab es Schmutzigeres bisher auf Erden als Wüsten-Heilige? Um die herum war nicht nur der Teufel los - sondern auch das Schwein. So beschließt Friedrich Nietzsche den Abschnitt Vom höheren Menschen im Zarathustra. Allerdings ohne zu ahnen, dass Hildegard von Bingen in ihrem Buch vom Wirken Gottes in dessen fünfter Vision die Antwort gegeben hat. Dort spricht sie vom Abfall des Glaubens im Zeitalter des Schweines, dem letzten der Zeitalter. Den Weg dieses Abfalls im Denken Nietzsches und Heideggers - unter Berücksichtigung des jüngst veröffentlichten Briefwechsels Heideggers mit seinem Bruder Fritz - stellt Kurt Anglet eindringlich dar, sowohl im Hinblick auf unser Zeitalter als auch im Licht des Christusgeschehens: der Erniedrigung - Erhöhung - Auferstehung Jesu Christi.
In einem Brief an Franz Overbeck (vom 23. Feb. 1887) vermerkt Friedrich Nietzsche: „Zuletzt geht mein Misstrauen jetzt bis zur Frage, ob Geschichte überhaupt möglich ist? Was will man denn feststellen? – etwas, das im Augenblick des Geschehens selbst nicht ‚feststand?’ -“ Mag alles Geschehen auch eine Vorgeschichte haben, so ereignet es sich im Augenblick des Geschehens gleichsam von vorn. Die Zeit erscheint uneinholbar wie das Geschehene unwiderrufbar. Darin korrespondiert die Zeitauffassung des 20. Jahrhunderts, wie sie etwas im Werk Franz Kafkas und Zygmunt Haupts zum Ausdruck gelangt, mit dem Zeitbegriff der christlichen Apokalyptik: Sie deutet das Zeitgeschehen vom Ende her bzw. auf das Ende hin – im Lichte der Vollendung.
Moderne und Theologie stehen gemeinhin in einem unüberbrückbaren Gegensatz. Die Bildung des Raumes nach den jüngsten Erkenntnissen der Astrophysik wie seine Konzeption in der modernen Malerei seit Cézanne korrespondieren jedoch der Transzendenz des Raumes in der theologischen Überlieferung. Daher deutet die vorliegende Abhandlung den Zusammenhang von Auferstehung und Transfiguration vom Spätwerk Paul Klees aus, in dem wie nirgends sonst der Raum des Todes auf die Auferstehung der Toten hin durchbrochen erscheint.
Die Werke der St. Petersburger Komponistin Galina Ustwolskaja (1919-2006) gelten nicht allein hinsichtlich ihrer musikalischen Radikalität und Kompromisslosigkeit als einzigartig. Nicht weniger sind sie es in religiöser Hinsicht. Die Komposition Nr. 2 „Dies Irae“ für acht Kontrabässe, Klavier und einem Holzwürfel als Schlagzeug (1972/73) etwa erweckt über weite Strecken hinweg den Eindruck eines unaufhaltsam voranschreitenden apokalyptischen Heeres. Nie zuvor in der Geschichte der Musik ist der Einbruch der Ewigkeit in die Zeit mit vergleichbarer Ausdrucksstärke vertont worden; nie zuvor hat die Bewegung aus dem Schweigen der Dinge in das kosmische Schweigen Gottes eine vergleichbare Lautstärke und zugleich Annäherung an die Stille erfahren, die allen Lärm der Geschichte in Schweigen auflöst. – Die Extreme, die Ustwolskajas Musik verbindet, sprengen jeden liturgischen Rahmen und sind gleichwohl im Raum der Kirche, im Zeit-Raum christlicher Eschatologie zu Hause.