Dieser Band fokussiert auf den in der psychoanalytischen Behandlung oft vernachlässigten Körperbezug: leibbezogene Fantasien und körperliche Prozesse in der weiblichen Adoleszenz, männliche Identitätskonflikte, körperbetonte Gegenübertragungsfantasien, Stellenwert der Bisexualität, die enge Verschränkung von primärer und sekundärer Homosexualität mit weiblichem Körpererleben, die unbewussten Bedeutungen des Mutterkörpers. Die Autorinnen sind ausgewiesene Expertinnen zu Fragen der Psychosexualität, Geschlechterforschung, weiblichen und männlichen Entwicklungspsychologie.
Johanna Schäfer Libri


Die Autorin erweitert den aktuellen psychoanalytischen Diskurs zur psychosexuellen weiblichen Entwicklung um eine genauere Bestimmung des negativen weiblichen Ödipuskomplexes. Dabei geht sie davon aus, daß die psychosexuelle Identitätsentwicklung des Mädchens innerhalb der Mutter-Tochter-Beziehung wesentlich bestimmt wird von triebhaftem Erleben und der Wahrnehmung und Interpretation von Körperprozessen. Weibliche Identität ist an die Mutter und die Erfahrungen mit ihr gebunden, und, anders als von Freud angenommen, liebt das Mädchen die Mutter nicht primär phallisch, sondern primär weiblich. In der psychotherapeutischen Behandlung treten Analytikerin und Patientin sich auch als körperliche Wesen gegenüber. Körperwahrnehmungen sind Teil des analytischen Prozesses und erweitern die schöpferische Wahrnehmung um eine zentral bedeutsame Dimension, die homosexuelle Persönlichkeitsaspekte und weibliche Körperlichkeit umfaßt. Die Berücksichtigung der vergessenen Sehnsucht in der Mutter-Tochter-Beziehung, als ursprünglich eigenständigen psychosexuellen Komplex, fördert die Wahrnehmung und Anerkennung sexuellen und körperlichen Erlebens der Patientin in ihrer Beziehung zu sich selbst und zu beiden Geschlechtern und damit die Anerkennung ihrer weiblichen Subjekthaftigkeit.