Michael Seibert Libri






Äußerungsdelikte
Spiegelungen eines politisierten Strafrechts
Was darf man sagen? Was darf man warum nicht (mehr) sagen? In jeder möglichen Antwort spiegeln sich politische Überzeugungen, Verfolgungs- und Durchsetzungsinteressen, manchmal auch Opfereigenschaften. Allgemeine Menschenrechte oder Prinzipien aus Art. 5 GG reichen jedenfalls für eine brauchbare Lösung nicht aus. Dargestellt werden deshalb konkrete Entscheidungen und historische Entwicklungen, die von amerikanischen Problemen der Hate Speech bis zu deutschen mit der „Auschwitzlüge“ reichen. Straftatbestände werden mit der Rechtsprechung zum Persönlichkeitsrecht und den gängigen Gesichtspunkten zur verfassungsrechtlichen Abwägung verglichen. Zur Anschauung dienen Situationsfelder aus Beleidigung, Staatsschutz, Nötigung und schließlich Täuschung. What is permissible to be said? What is not permissible to be expressed (anymore) and why? Every possible answer invariably reflects political convictions, persecution and enforcement interests, sometimes also victim characteristics. General human rights or principles from Art. 5 GG are not sufficient for a useful solution. Therefore, concrete decisions and historical developments are presented, ranging from American problems of Hate Speech to German ones with the „Auschwitz lie“. Criminal facts are compared with the jurisprudence on the right of personality and the common viewpoints on constitutional balancing. Examples ranging from insult, coercion and deception to state protection serve as illustrations.
Entworfen wird eine allgemeine Rechtslehre unter spezieller Perspektive. Ausgangspunkt ist das Versagen der deutschen Justiz, ein Zeichen gegen die Rechtsbeugung der NS-Zeit zu setzen. Das Rechtszeichen wird auf Grundlage der allgemeinen Semiotik von Charles S. Peirce so vorgestellt, dass damit auch interne Gesichtspunkte der Normbildung und Akzeptanz, die literarische Verarbeitung (Kleist, Kafka, Schreber, Klaus Mann u.a.) und schließlich die mediale Erscheinung in Akten und Verhandlungen erfasst werden. Das praktizierte Recht im »Justizdispositiv« wird anhand des Verfahrensgangs veranschaulicht und anhand teilweise berühmter Einzelentscheidungen diskutiert. Am Ende stehen Grundbegriffe der klassischen Methodenlehre: Norm und Fall ebenso wie Methode und Verfassung. Am Beispiel sieht man, dass Rechtszeichen nicht immer auch gerechte Zeichen sind.
Gerichtsrede
Wirklichkeit und Möglichkeit im forensischen Diskurs.
Ort und Aufgabe des Redens vor Gericht sind heutzutage unbestimmt. Der Rede stehen viele Möglichkeiten offen - im Saal wie auf dem Gang -, aber viel davon erscheint seltsam unwirklich. Der wirkliche Diskurs findet vor dem Plädoyer statt, und was wichtig wird, ist entschieden, bevor jemand plädiert. Man muss die Rede im Kontext des Verfahrens verstehen, damit man weiß, um welche Einsätze es im Prozess überhaupt geht. Der Autor war und ist Tatrichter und beobachtet sich selbst und andere. Seine Beobachtungen zerlegen die Rede in ihre Bestandteile. Die insgesamt 70 Kontext-Beispiele, die im Mittelpunkt der Arbeit stehen, stammen aus der gerichtlichen Arbeit und behandeln Verfahrensverläufe, Dialoge und Sentenzen so, wie man sie nach Abschluss der praktischen Situation niederschreiben konnte. Vor allem interessiert der Eigensinn der juristischen Mündlichkeit: Was setzt die Rede aufs Spiel, welche Motive treiben die Beteiligten, welchen Einsatz wagen sie und welchen Zwängen unterliegen sie? Daran schließen sich Stilfragen an: nach dem Sinn des Regelverstoßes, nach Inhaltskreationen und schließlich nach den künftigen Formen der Gerichtsrhetorik.