Vor dem Hintergrund religiöser Pluralisierung sind deutschland- und europaweit unterschiedliche Formen und Modelle von Religionsunterricht entstanden. In Deutschland wurden einerseits beim konfessionellen Religionsunterricht Konzepte entwickelt, die sich durch Öffnung und konfessionelle Kooperation auszeichnen. Andererseits hat sich auch religionskundlicher Unterricht etabliert (etwa LER in Brandenburg). Die Beiträge des Bandes geben zum einen eine Übersicht über die im deutschsprachigen Raum vorfindlichen Formen von Religionsunterricht und diskutieren deren jeweiliges Proprium und didaktisches Potential. Zum anderen werden Antworten auf zukünftig relevante Fragen für den Religionsunterricht unter den veränderten Bedingungen gesucht.
Eva-Maria Kenngott Libri



Die Ausgangslage für Religions-Unterricht ändert sich unaufhaltsam. Wo es normal ist, nicht religiös zu sein, kommt Religion als Bedürfnis nicht vor. Wo Religion als Teil der Alltagskultur erscheint, stößt der Religions-Unterricht auf ein enttraditionalisiertes religiöses Bedürfnis, das die Kirchen nicht braucht. Welches Verständnis von Religion soll Religions-Unterricht diesen Schüler/innen nahebringen? Die Beiträge dieses Sammelbandes formulieren eine Option: Im Religions-Unterricht geht es primär um das Verstehen von Religion. Und dazu sind aktuell unterschiedliche Konzepte im Entstehen begriffen.
Es ist ein zentrales Anliegen von Bildung, Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven zu sehen. Geht es um moralische Bildung, so ist der Wechsel der Perspektive speziell in der Goldenen Regel („Was du nicht willst, dass man dir tut, das füg auch keinem anderen zu“) das Mittel zur Erzeugung moralischer Sensibilität. Dieser Alltagsform der Erziehung steht nun die moderne Pädagogik gegenüber, die in institutionalisierter Form nicht allein mit alltagsmoralischen Formen des Appells arbeiten kann. Eva-Maria Kenngott analysiert die Verbindungslinien zwischen der Fähigkeit zur Perspektivenübernahme und Moral. Klassische Methoden der Moralpädagogik und der interkulturellen Pädagogik werden auf ihren Umgang mit Perspektivenübernahme hin untersucht.