Europa im Dialog mit spirituellen Kulturen der Welt
In "Das wilde Denken" untersucht Rüdiger Sünner die ganzheitliche Weltsicht indigener Kulturen, die fließende Übergänge zwischen Mensch, Natur und Spiritualität betont. Er zeigt, wie diese Perspektiven uns in Zeiten von Naturzerstörung und Klimawandel inspirieren können und zur Entwicklung einer neuen europäischen Identität beitragen.
Ein ungeschriebenes Kapitel in der Geschichte des Dritten Reichs: In einem der Kulträume der ehemaligen SS-Ordenszentrale Wewelsburg findet sich ein Runenzeichen, das von der rechten Szene als „Schwarze Sonne“ verklärt wird. Für Himmels Todesbrigaden war es vermutlich ein mystisches Symbol für Wiedergeburt und Erweckung des nordischen Geists. Das Buch erhellt den wenig untersuchten Zusammenhang von Esoterik, Mythologie und Politik des Dritten Reichs, indem er Einblick in SS-Archive, Originalliteratur und zeitgenössische Quellen gibt. Der Bogen, den er zur Gegenwart schlägt, ist für die aktuelle Auseinandersetzung mit rechten Tendenzen wichtig, denn solche Mythen leben in der neonazistischen Szene, in unreflektierten esoterischen Zirkeln und anderen Gruppierungen weiter. Das Buch zeigt aber auch, dass die Tabuisierung der nordischen Mythen keine Lösung ist, da sie zu unserer Kultur gehören. Das Buch ist ein Standardwerk zur rechten Esoterik. Es erschien seit 1999 in drei Auflagen im Herder Verlag. Der gleichnamige Dokumentarfilm von Rüdiger Sünner wurde viel beachtet und gehört zum Standardrepertoire der politischen Bildung. Der Film und weiteres Dokumentationsmaterial liegt dem Buch als DVD bei.
In den letzten Jahren ist Spiritualität wieder in aller Munde, allerdings scheint sie zu einer vielfach besetzten Modevokabel verkommen zu sein. Hunderte von Webseiten und Youtube-Videos in Hochglanzformat umgarnen die Menschen mit erhaben klingenden Worten, esoterischer Musik, kitschig-schönen Bildern und Heilsversprechen aller Art, doch kaum jemand definiert, was genau er unter Spiritualität versteht. Rüdiger Sünner hat sich als Filmemacher intensiv mit den Themen Religion, Mythologie, Spiritualität und Mystik beschäftigt. Fasziniert von ernsthaften spirituellen Denkern wie Novalis, C. G. Jung oder Rainer Maria Rilke, geht er der Frage nach, welche Spuren ihre Gedanken in seinem Alltag hinterlassen haben. Sind sie in der Lage, auch bei konkreten Problemen und Selbstzweifeln zu helfen, beispielsweise im Umgang mit Krankheit und Tod im Freundes- und Bekanntenkreis? Rüdiger Sünner definiert Spiritualität neu, befreit sie vom negativen Beigeschmack und beschreibt subtile Zwischenzonen der Erfahrung in einer verständlichen Sprache – herausgekommen ist eine sehr persönliche Bilanz und eine praktische Lebenshilfe in schwierigen Zeiten.
Während der Einfluss von Marx, Hegel und Freud auf Adorno immer hervorgehoben wurde, blieb Nietzsche als «Vorläufer» nahezu unberücksichtigt. Beide Philosophen waren nicht nur als Musiker und in sprachlicher Hinsicht eher künstlerische als akademische Naturen, sondern die Kontroverse zwischen Kunst und Wissenschaft bildet auch den Kern ihres Denkens. In einer Welt, die trotz der Erkenntnisse neuerer Physik vom kartesianisch-newtonschen Geist durchdrungen ist, der unser Verhältnis zu anderen Kulturen und Traditionen, zu Mythos, Sprache und Natur bestimmt, wird die Kunst - vor allem die Musik - als Gegenmodell aufgerufen.
Rainer Maria Rilke (1875–1926) war nicht nur einer der größten deutschen Dichter, sondern auch ein »Gottsucher«, der jedoch ganz eigene Wege ging. Abgeschreckt vom bigotten Katholizismus seiner Mutter, wandte er sich zunächst vom Christentum ab und suchte Inspirationen auf andere Weise. In München-Schwabing traf er um 1900 auf Künstler, Esoteriker und Anthroposophen, die ähnlich wie er auf der Suche nach individuellen spirituellen Erfahrungen waren, darunter Paul Klee, Franz Marc, Stefan George und Rudolf Steiner. Rilke suchte das »Göttliche« nicht in fernen transzendenten Himmeln, sondern im »Hiesigen«: in der Magie der Natur und in der Aura einfacher Alltagsdinge, die er in einer unnachahmlichen Sprache zu beschreiben wusste. In seinem Buch zeigt Rüdiger Sünner, dass Rilke auch heute noch die Bedürfnisse vieler Menschen anspricht, die – enttäuscht von traditionellen Religionen – auf der Suche nach dem sind, was seit Tausenden von Jahren mit der Metapher »Gott« umschrieben wird. Rilke nähert sich dem subtil an, ist undogmatisch, auch im Kampf mit den dunklen Seiten Gottes. Und er ist aufgeschlossen gegenüber spirituellen Traditionen, befragt Buddhismus, Islam, ägyptische und griechische Mythen und sogar okkulte Strömungen wie Theosophie und Spiritismus. Ein aufgeklärter Europäer, offen für die Traditionen der Mystik, der wichtige Inspirationen schenken kann.
»Wenn es uns in den kommenden zehn Jahren nicht gelingt, Europa eine Seele zu geben, es mit einer Spiritualität und einer tieferen Bedeutung zu versehen, dann wird das Spiel zu Ende sein«, warnte Jacques Delors, ehemaliger Präsident der EU-Kommission. Der Filmemacher Rüdiger Sünner ist seit drei Jahrzehnten auf der Suche nach spirituellen Traditionen Europas. In seinem Buch schildert er Begegnungen mit wichtigen Vorbildern und Inspiratoren. Dabei beschäftigt er sich mit den spirituellen Visionen der Romantik, dem Mythenmissbrauch der Nazis, den Friedensmissionen des Schweden Dag Hammarskjöld, der Tiefenpsychologie des Schweizers C. G. Jung, der Anthroposophie des Österreichers Rudolf Steiner, der »Mystikerin« Dorothee Sölle, dem »Schamanen« Joseph Beuys und dem aus Rumänien stammenden Dichter Paul Celan. Mystik und Mythologie, die Traditionen der Gnosis, Kabbala, Alchemie, die Welt der Kelten, Germanen und die Sagen rund um den Heiligen Gral: Sein Buch umkreist ein »Geheimes Europa«, dessen Themen abseits des kulturellen und religiösen Mainstreams liegen. Die sich daraus ergebenden Impulse könnten auch Bausteine für ein künftiges Europa sein, das mehr ist als nur ein Wirtschaftsverbund, sondern eine besondere Seelenlandschaft. Bedeutsam für Rüdiger Sünner ist dabei immer auch die Fragestellung, was die spirituellen Impulse dieses »Geheimen Europa« für die Bewältigung unserer gegenwärtigen Probleme leisten können.
DER 'VERWUNDETE HEILER' – SPIRITUALITÄT ALS KUNST DER VERWANDLUNG UND REGENERATION Der Aktionskünstler, Bildhauer, Kunsttheoretiker und Pädagoge Joseph Beuys, zeitlebens umstritten, anstößig im besten Sinne, wollte berühren und berührbar sein. Die seelische und körperliche Verletzlichkeit des Menschen war sein Thema. Nicht zufällig trägt eine seiner bekanntesten Installationen den Titel 'zeige deine Wunde'. Beuys, heute weltweit als einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts angesehen, hegte tiefes Interesse für Mythologie, Schamanismus, Anthroposophie, Alchemie und Mystik. Vor allem aber war er ein 'verwundeter Heiler' im Sinne C. G. Jungs, der unser zunehmend auf ökonomische Ziele und rationale Effizienz reduziertes Bewusstsein durch seine Arbeiten erweitern wollte. Wie die alten Mythen, so bewegte sich Beuys in Bildern und Symbolen, die für ihn wichtige Quellen zur Entwicklung unserer verkümmerten Imagination waren. Sein berühmter Satz 'Jeder Mensch ist ein Künstler' meinte nicht, dass jeder wie Mozart komponieren kann, sondern dass in jedem von uns schöpferische Kräfte wohnen, die unseren eigentlichen Wesenskern ausmachen. In den Zeiten von Post- und Postpostmoderne, zwischen Naturalismus, Ironie und Pop à la Jeff Koons erinnert das Buch Zeige deine Wunde an Potenziale der Kunst, die im Verschwinden begriffen sind.
Totenschiff und Sternenschloss lotet den inspirierenden Effekt besonderer Orte aus: Die Megalithen von Callanish und der Kyffhäuser, die frühgeschichtlichen Opfermoore in Norddeutschland, die finnische Landschaft rund um den Schamanen-See Ukonsaari und die Katharer-Burg Montségur sind einige der eindrucksvollen Kulissen, vor denen sich eine Innenschau des Autors vollzieht, die von den Ortsqualitäten und den lokalen Mythen ausgelöst und vertieft wird. Indem er sich an „starke Orte“ begibt und zu deren Mythologie eine intime Beziehung aufnimmt, lässt sich Sünner auf die Frage ein, was Menschen aller Zeiten an jenen Orten bewegt hat und bewegt, wie sie einen Platz als Heiligtum erkannt haben und was für katalytische Kraft die Mythen der Orte und Landschaften auf ihn, den aufgeklärten Zeitgenossen ausüben. Totenschiff und Sternenschloss lädt zum Mit-Meditieren ein und gibt zugleich wertvolle Anregung, wie man sich Orten und Landschaften annähern kann, die in der Mythologie unserer europäischen Heimat von besonderer Bedeutsamkeit sind.