Giuseppe Bruno gehört zur ersten Generation der Arbeitsemigranten aus dem Süden Italiens. Geboren 1945 in Butera auf Sizilien, kam er mit 16 Jahren als Gastarbeiter nach Frankfurt am Main, wo er heute noch lebt. Er schildert sein Leben zwischen den Kulturen in kleinen Geschichten und Anekdoten, mal nachdenklich, mal ergreifend, mal hinreißend komisch. Mit „Wenn die Fremde zur Heimat wird“ hat Giuseppe Bruno mehr als ein Stück privater Erinnerungsliteratur geschaffen. Er lässt tief blicken in in die eigenen Seelenlagen und Befindlichkeiten wie in die der anderen beim steinigen Weg zu sich selbst, der Befreiung von den „bösen Geistern“ der Vergangenheit.
Giuseppe Bruno Libri



Der Zug in die Fremde
Ein Leben als Bauernjunge und Gastarbeiter
Giuseppe Bruno, Jahrgang 1945, bekannt für seine Initiativen für Freundschaft und Integration zwischen Ausländern und Deutschen und zur Dokumentation der Migrationsgeschichte in der Region, lebt heute als städtischer Straßenkehrer in Frankfurt am Main. Er erzählt mit viel Humor und bemerkenswerter Offenheit über sein Leben als Bauernjunge in Sizilien und als Gastarbeiter in Frankfurt am Main. Seine Geschichten dokumentieren zugleich die Erfahrungen der ersten Generation der Arbeitsemigranten aus dem Süden Italiens. „Wir sind ja reich!“, glaubte der kleine Giuseppe. Sie hatten viel Land, aber die vierköpfige Familie lebte in einem Raum, Mama backte Brot in einem Ofen ohne Rohr und auf dem Tisch tanzten die Hühner. „Butera“ heißt Giuseppes Welt: ein Bergdorf im Südosten Siziliens. Hier wäscht eine Hand die andere, aber Vertrauen hat man nicht mal zu sich selbst. Schon als Sechsjähriger musste Giuseppe hart anpacken – für die Schule blieb bald keine Zeit mehr: „Mein Vater brauchte einen Mann, keinen Studenten.“ Als die Armut der Bauern unerträglich wurde, brach der Strom der Auswanderer nicht mehr ab. Deutschland hieß das gelobte Land, von dem auch Giuseppe träumte. Er war 16 Jahre alt als er 1962 sein Muli und die Ziege verkaufte, um ein neues Leben zu beginnen. Der Zug brachte ihn nach Frankfurt am Main, in die Fremde – die heute zu seiner Heimat geworden ist.