In der heutigen Gesellschaft ist, so scheint es, Wissen allgemein zugänglich. Die modernen Kommunikationswissenschaften machen das gesamte zeitgenössische Wissen weltweit verfügbar. Dagegen war in den Gesellschaften der europäischen Frühen Neuzeit der Zugang ungleich verteilt, und man unterschied zwischen gelehrtem Wissen, falscher Gelehrsamkeit und Wissenschaft als bloßer Gedächtnisleistung. So wurden Wissensformen segregiert und damit Gesellschaft hierarchisiert. Diese historischen Unterschiede lassen die Epoche der Frühen Neuzeit für eine Revision von Begriffen wie „Wissen“, „Bildung“ und „Gelehrsamkeit“ besonders geeignet erscheinen: Wie und wo hat sich Wissen vermittelt, in welchen Kontexten war es angesiedelt, wie ist es gebraucht worden? Am Beispiel von Frauen verschiedenster religiöser und konfessioneller sozialer Milieus wird der Frage nach der Situierung des sogenannten gelehrten Wissens nachgegangen.
Michaela Hohkamp Libri



Herrschaft in der Herrschaft
Die vorderösterreichische Obervogtei Triberg von 1737 bis 1780
Die Mitte des 18. Jahrhunderts scheint die Ruhe vor dem großen Sturm zu sein: Die Bauernrevolten sind vorüber, die Umwälzungen des 19. Jahrhunderts noch in weiter Ferne; die kurze Epoche des aufgeklärten Absolutismus ist angebrochen. Richtet sich der Blick jedoch auf geographische und politische Randgebiete, ergibt sich ein Bild des vielfältigen Wandels. Michaela Hohkamp zeigt, daß sich die Obervogtei Triberg keineswegs in die absolutistische Herrschaftspraxis einpaßte. Dem Obervogt, von der Unterstützung lokaler Eliten abhängig und selbst am traditionellen Herrschaftsverständnis orientiert, gelang es nicht, landesherrliche Vorgaben durchzusetzen. Trotzdem veränderten sich die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen um die Mitte des 18. Jahrhunderts grundlegend. Der Prozeß der inneren Staatsbildung wurde vor allem von Streitigkeiten um die Ehre in Gang gesetzt: Indem Triberger Männer ihre Ehrkonflikte dem Obervogt zur Entscheidung vortrugen, erlaubten sie ihm Einblicke in lokale Gegebenheiten. Im Zuge der Untersuchungen und Befragungen zwang der Obervogt die zur Sprache gebrachten Ereignisse in eine eigene Ordnung, die soziale Zusammenhänge zerriß. So konnte er seinen herrschaftlichen Zugriff intensivieren und neue Beziehungsmuster stabilisieren.