Was kann und was soll Technik heute sein und leisten? Angesichts der aktuellen Forderung nach beschleunigten technischen Innovationen und in Anbetracht der oft geäußerten Erwartung, sie seien Schrittmacher des Fortschritts und Garanten des Wohlstands, wird die Suche nach Antworten immer drängender. Zukunftsvisionen und Horrorszenarien technisch-ökonomischen Handelns bedürfen beide einer kritischen Reflexion. Namhafte Technikphilosophen und -soziologen setzen in diesem Band mit folgenden Fragen unterschiedliche Akzente: Wie ist angesichts moderner Bio-, Informations- und Kommunikationstechniken das Verhältnis des Menschen zur Natur, zu seiner Arbeit, zu seinem eigenen Handeln und zur Gesellschaft zu verstehen? Welche Entwicklungsvorstellungen und Utopien leiten technisches Handeln? Was ist überhaupt das Ziel von Technik, und wer soll darüber entscheiden? Die Beiträge machen deutlich, wie die Systeme, die Technik befördern und die von Technik durchdrungen werden, wechselseitig voneinander abhängen; sie markieren Eckpunkte einer Allgemeinen Technologie. Der Band ist dem Werk Günter Ropohls gewidmet; er erscheint zu seinem 65. Geburtstag.
Nicole Christine Karafyllis Libri






Zugänge zur Rationalität der Zukunft
- 306pagine
- 11 ore di lettura
Rationalität ist der vordringlichste Anspruch, der vor allem in der Wissenschaft an den denkenden und handelnden Menschen gestellt wird. Ist jedoch eine Handlung oder Fragestellung, die für einen Ökonomen rational ist, auch für einen Physiker, eine Biologin, einen Philosophen, Juristen, Theologen, oder gar für einen Nicht-Wissenschaftler rational? Rationalität wird in diesem Band hier nicht, wie üblich, nur als formaler Begriff verstanden, sondern er wird an gelingende Praxen menschlichen Lebens gebunden. Zu Beginn des Jahrtausends ist die Gestaltung der Eigendynamik von Technologien, z. B. die der Bio- und Informationstechnologien, zu einer zentralen Herausforderung geworden.
Theorien der Lebendsammlung
Pflanzen, Mikroben und Tiere als Biofakte in Genbanken
Sammeln und Lagern von Samen sind alte Kulturtechniken. Im 20. Jahrhundert entstehen hochtechnisierte Samenbanken, die sich zu Genbanken und jüngst zu Biologischen Ressourcenzentren transformieren. Damit konfigurieren sie auch die Objekte des Sammelns neu: z. B. als Gene, Genome und kryokonservierte Gewebe. Pflanzen, aber auch Mikroben und Tiere werden dabei als Biofakte verhandelt, d. h. als lebende Entitäten, die sowohl gemacht als auch geworden sind. Dies drückt sich etwa im reflexiven Verhältnis von Wild- und Kulturpflanze aus. Im Band thematisieren führende Expertinnen und Experten des Biobanking Ordnungsstrukturen und Techniken des Sammelns und setzen sie in Bezug zu Werten und Normen, v. a. in den Feldern Züchtung und Biodiversität.
Die Philosophen Herman Schmalenbach und Willy Moog und ihr Wirken an den Technischen Hochschulen in Hannover und Braunschweig
Mit einem Seitenblick auf Schmalenbachs »Leibniz«
Der Leibniz-Forscher Herman Schmalenbach (1885–1950) äußerte 1931, dass er sich nicht ausschließlich als Historiker der Philosophie sieht, was die fragile Situation der Philosophiegeschichte im 20. Jahrhundert widerspiegelt. Der Beitrag beleuchtet biographisch zwei vergessene Philosophen, Willy Moog (1888–1935) und Herman Schmalenbach, die auch als Philosophiehistoriker tätig waren. Der Text untersucht ihr Leben, ihre Forschungsarbeiten und wie sie Philosophie an technischen Hochschulen integrierten. Zudem wird die Frage aufgeworfen, warum sie in Vergessenheit geraten sind. Prof. Dr. Nicole Christine Karafyllis, geboren 1970, studierte Biologie und Philosophie und habilitierte 2006 in Philosophie an der Universität Stuttgart. Seit 2010 lehrt sie an der TU Braunschweig mit Schwerpunkten in Wissenschafts- und Technikphilosophie. Ihre weiteren Forschungsinteressen umfassen Philosophiegeschichte, Phänomenologie, Lebensphilosophie sowie philosophische Biographien. Aktuell beschäftigt sie sich mit der Theorie der Biofakte, der Philosophie der Kulturtechniken und der Geschichte der Philosophie an Technischen Universitäten.
Willy Moog
- 719pagine
- 26 ore di lettura
Erstmals wird eine umfassende Studie über Willy Moog präsentiert, der 1935 als Philosophieprofessor der TH Braunschweig im Alter von 47 Jahren Suizid beging. Diese quellenreiche Untersuchung beleuchtet sein Leben und sein umfangreiches Werk und stellt grundsätzliche Fragen zur Philosophiegeschichtsschreibung: Warum werden bestimmte Autoren vergessen, und wie kann die Geschichte der Philosophie von Philosoph(inn)en erzählt werden? Moogs Lebensweg führt durch die Universitäten in Gießen, Greifswald und Braunschweig und verdeutlicht typische Herausforderungen eines Professors im frühen 20. Jahrhundert, darunter die Teilnahme am Ersten Weltkrieg und den politischen Druck, sich für die Lehrerbildung nützlich zu machen. Die Autorin Nicole C. Karafyllis skizziert Moogs Lebensporträt als Anhänger Georg Simmels und Bewunderer von Husserls Phänomenologie. Unter Rückgriff auf bislang unbekannte Quellen werden zentrale Debatten der deutschsprachigen Philosophie der 1910er und 1920er Jahre rekonstruiert, einschließlich des Psychologismusstreits, zu dem Moog 1919 an der Universität Greifswald seine Habilitationsschrift vorlegte. Diese Studie schließt somit eine wichtige Lücke in der Forschung. Im Anhang findet sich eine Liste von Moogs Werken und Lehrveranstaltungen.
Das Leben führen?
- 288pagine
- 11 ore di lettura
Kann man das Leben führen? Die in diesem Band versammelten Beiträge stellen sich in kritischer Absicht dem modernen Konzept der »Lebensführung«, das die Technikphilosophie mit der Lebensphilosophie im frühen 20. Jahrhundert eng verbunden hat und teilweise bis heute verbindet. Auch relevante soziologische Positionen wurden in diesem Kontext entwickelt. Anhand zentraler Autoren wie Simmel, Bergson, Husserl, Heidegger, Blumenberg, Berdjajew, Reuleaux, von Uexküll, Plessner, Freyer, Jonas und Günter Ropohl (dem dieser Band aus Anlass seines 75. Geburtstags gewidmet ist) werden die Bezugnahmen zwischen Technik- und Lebensphilosophie analysiert, aber auch die Abgrenzungsversuche voneinander. Die Verhältnisbestimmung der Konzepte »Leben« und »Technik« kann systemischen Charakter annehmen und deshalb die Idee einer lebensbejahenden oder -verneinenden Technik nach sich ziehen, z. B. artikuliert als Technikoptimismus/-pessimismus oder als emanzipatorische Frage nach dem eigenen Leben und dessen Selbstverwirklichung. Wenn es um Lebensführung geht, werden also gleichzeitig die Ausgangsbedingungen der Identitätskonstruktion moderner Subjekte und die Frage thematisiert, inwieweit Systementwürfe jene ermöglichen oder begrenzen.
Putzen als Passion
Ein philosophischer Universalreiniger für klare Verhältnisse
Putzen Sie selber? Putzen Sie überhaupt? Und wenn ja, warum? Die Philosophin Nicole C. Karafyllis sorgt erstmals für Klarheit. Mit Essigessenz und Schmierseife zeigt sie, wie man Probleme des Alltäglichen heiter und selbstbewusst in Lösung bringt. Vorbei mit der Wisch+Weg-Mentalität! Schluss mit der Putzfrau als Ausrede! Denn Putzen ist eine Kulturtechnik und will gelernt sein, um in der Konsumgesellschaft Bestand zu garantieren. Der Ideologie, dass Putzen sinnlos sei, geht die Autorin mit ihrem philosophischen Universalreiniger ans Leder. Der schöne Schein der Oberfläche muss erst einmal erzeugt werden. Schmutz ist nichts, vor dem man Abstand zu halten hat: Schmutz erzählt Geschichten.
De-Marginalisierungen
- 172pagine
- 7 ore di lettura
Was bedeutet es, am Rand zu stehen, marginal zu sein? - In allen Beiträgen werden Ränder des wissenschaftlichen, historischen, literarischen, kulturellen, sozialen oder politischen Bewußtseins erkundet. Das heißt, es werden hier kultur- und geistesgeschichtliche Quellen verschiedener Art neu druchdrungen, um Verdrängstes oder nicht für wissenswert Befundenes ans Licht zu fördern. dabei ist vor allem dasjenige interessant, dessen Nichtberücksichtigung im Zusammenhang mit politischen Ausgrenzungstendenzen zu sehen ist. Dazu gehören z. B. Kants Kritik an homosexuellen Praktiken, Linnés Versuch, Ordnung in die Natur zu bringen und Frankensteins Monster, das in der Gesellschaft nur noch als krankes Hirn statt als eigenes Subjekt kommuniziert wird. Kultur- und sozialkritische De-Marginalien zu den Grenzen von Gegenwart und Vergangenheit, Spiel und Jugend, Leben und Tod runden den Band ab.
Ein Biofakt ist ein semiartifizielles Lebewesen, begrifflich gefaßt als Verschmelzung von „Leben“ (gr. bios) und „Artefakt“. Damit wird ein neuer Begriff eingeführt, mit dem die vage Grenze zwischen Natur und Technik in bezug auf bio-, nano- und informationstechnische Methoden deutlichere Konturen bekommt. Vor dem Hintergrund der philosophischen Anthropologie, die gegenwärtig versucht, den Menschen als Hybrid zwischen Techniknutzer und Naturwesen zu beschreiben, spielt das Phänomen des Wachstums eine entscheidende Rolle. Denn Natur ist dasjenige, das sich von selbst bewegt, das wächst - Technik und Kunst ist dasjenige, das von außen bewegt und geschaffen wird. So zog schon Aristoteles die Unterscheidung zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit, eine Unterscheidung, die durch moderne Techniken zunehmend problematisch wird. Autoren aus verschiedenen Perspektiven und Disziplinen gehen dieser Unterscheidung auf den Grund.
Natur und Technik werden in der gegenwärtigen Philosophie nicht mehr als starre Gegensätze, sondern auch als Hybride verstanden. An dieser Stelle Setzt die Autorin an, indem sie neuere technische Entwicklungen in der Biologie und den Umweltwissenschaften auf ihre philosophischen Grundlagen und ethischen Folgen hin befragt. Wo finden wir im 21. Jahrhundert noch Natur, wo konstruieren wir sie? Welche Natur wollen wir nachhaltig erhalten und wie geht das? Und: Welche Antworten geben uns die modernen Life Sciences auf diese Fragen? Das sind die grundlegenden Fragen dieser Einführung, die an natur- und technikphilosophisch Interessierte gleichermaßen adressiert ist. Um sie zu beantworten, wird der Zugang zu Natur und Technik an unser Alltagswissen gekoppelt, damit nicht im philosophischen Disput über die angemessenere Natur- oder Techniktheorie der Ariadnefaden aus den Augen verloren wird.
