Literarische Texte erzählen in Filmen oft Geschichten auf mehreren Ebenen, was Ridley Scott mit seinem Begriff '700-layer-cake' für Blade Runner ironisch umschreibt. Diese komplexen Strukturen entstehen durch Korrespondenzen innerhalb des Films und durch Bezüge zu anderen Medien, die vom Regisseur und dem Produktionsteam transformiert werden. In Hitchcocks Die Vögel wird die Protagonistin Melanie als moderne Aphrodite dargestellt, die, ähnlich wie die Venus in Botticellis Gemälde, über die Bodega Bay fährt. Ihr Name, abgeleitet von Aphrodite, und ihre Erscheinung, die sie in die Zoohandlung führt, verstärken diese Verbindung. Die bürgerlichen Frauen im Film empfinden Melanies Präsenz als Bedrohung, was sich in der hysterischen Äußerung einer Frau manifestiert: "I think you’re evil! Evil!" So verweben sich in dem Film Liebe und Horror. Die antike Aphrodite hat auch eine dunkle Seite, da sie mit Schrecken und Furcht assoziiert wird. Für die Analyse ist es entscheidend, die Funktion dieser Bezüge im Film zu klären, etwa die Bedeutung des Angriffs auf Hitchcocks Protagonistin und die Symbolik der Taube, die Venus begleitet. Kirsch untersucht solche Fragen und bietet neue Perspektiven auf die Filme, unterstützt durch zahlreiche Abbildungen. Der Band regt dazu an, neben Die Vögel auch andere Werke wie Der Partyschreck, Blade Runner und Gladiator näher zu betrachten. Konrad Kirsch, promovierter Literaturwissenschaftler, hat auch zu a
Konrad Kirsch Libri






Im ersten Teil der MASSE DER BÜCHER wird Elias Canettis Poetik der Masse rekonstruiert. Für Canetti ist der Tod der größte Feind, dem man nur durch permanente Verwandlung entkommen kann. Je mehr Identitäten man hat, desto weiter ist man dem Tod entfernt. Die Masse wird zum Ort, an dem diese Identitäten versammelt sind, und somit zu Canettis Utopie. Er verbindet psychische Vorgänge mit körperlichen Prozessen und unterscheidet zwischen äußerer und innerer, psychischer Masse. Der Mensch wird metaphorisch als Schizophrener betrachtet, dessen Identitäten ihm helfen, den Tod abzuwehren. Die äußere Erscheinung ist nur die Hülle der 'Masse in uns'. Die Aufgabe des Dichters ist es, durch Literatur diese innere Masse zu vergrößern und das Lebenspotential des Lesers zu steigern. Dies gilt auch für Canettis Figuren, die ebenfalls eine innere Masse aus anderen literarischen Figuren besitzen. In einem Alptraum des Protagonisten der BLENDUNG wird dies deutlich: Aus seiner aufgerissenen Brust springt ein Buch hervor, was symbolisch für die Masse von Büchern steht, die das 'Herz' seiner Figuren ausmachen. Der zweite Teil der Studie beschäftigt sich mit der inter- oder hypertextuellen Lektüre der BLENDUNG und Canettis Poetik, behandelt Autoren und Themen wie Platon, Rousseau, Freud, Dante und viele andere.
In der Geisterwelt: Kafkas Affe und Der Verschollene
Strukturparallelen und Hypotexte
Franz Kafkas Erzählung schildert, wie der Affe Rotpeter zum Menschen und Varietékünstler wird, was das Thema der Künstlergenese und Menschwerdung behandelt. Der Titel ist eine Anspielung auf Rousseaus DISCOURS SUR L'ORIGINE ET LES FONDEMENS DE L'INÉGALITÉ PARMI LES HOMMES, in dem Rousseau den Naturmenschen beschreibt, der mit den Menschenaffen identisch ist, von denen zeitgenössische Reisende berichten. Kafkas Erzählung folgt diesem Entwicklungsmodell. Bei seiner Gefangennahme wird Rotpeter angeschossen, was symbolisch für seinen Tod steht. Das Schiff, das ihn nach Europa bringt, wird zur Totenbarke. Emanuel Swedenborg beschreibt in HIMMEL UND HÖLLE das Dasein der menschlichen Geister im Jenseits, wo sie ihr wahres Wesen offenbaren. Bei seiner Transformation erhält Rotpeter Unterstützung von Matrosen, die ihm in Form von Alkohol den „Heiligen Geist“ einflößen. Auch Kafkas Amerika-Roman lässt sich mit Swedenborg neu lesen, da Karl Rossmann, ähnlich wie Rotpeter, in einer Totenbarke nach Amerika gelangt und dort ein neues Leben beginnt. Rossmann muss Englisch lernen – die Sprache der Engel – und trifft auf gute und böse Geister. Schließlich entkommt er und wird von menschlichen Engeln geleitet. Kafkas typische bürokratische Prozeduren und die Künstlermotivik spiegeln sich auch in diesem Werk wider, wo das Reich des göttlichen Genies als Himmel dargestellt wird.
In der Studie AUF DER HIMMELSLEITER wird die Struktur von Robert Walsers Erzählung JAKOB VON GUNTEN analysiert. Dabei erweisen sich die intertextuellen Bezüge als Schlüssel zur Erzählung. JAKOB VON GUNTEN ist eine Künstlergeschichte, die auf der biblischen Erzählung des Jakobs basiert, wobei das Motiv der Himmelsleiter zentral ist. Der Protagonist, Jakob von Gunten, kommt 'von ganz unten' und strebt nach oben. Nach einem inneren Kampf schließt er, ähnlich wie der alttestamentliche Jakob, einen Bund mit Gott und zieht in die Wüste, weit entfernt vom Kulturbetrieb. Zudem ist die Erzählung von den Jenseitsvisionen Emanuel Swedenborgs geprägt, wobei die Welt der Dienerschule der Swedenborgschen Geisterwelt ähnelt. Die Charaktere spiegeln die Verhaltensweisen wider, die Swedenborg über Engel und Geister beschreibt. Ein weiterer Abschnitt beleuchtet die Korrespondenzen zu einer kurzen Geschichte Walsers, die buben wiebel, und zeigt, dass die Erzählung auch als Hommage an die republikanische Schweiz verstanden werden kann. Untersuchte Themen sind: JAKOB VON GUNTEN als Bildungsroman, das Motiv der Leiter im spaziergang, die Dialektik von oben und unten, Angelus Silesius und das Gottesbild der Mystik, das Lachen bei Henri Bergson, Walsers Kulturkritik und Elemente aus Dantes GÖTTLICHER KOMÖDIE.