Axel Beelmann Libri






Heimat als Daseinsmetapher
Weltanschauliche Elemente im Denken des Theologiestudenten Martin Heidegger
Heimat ist etwas, was man günstigstenfalls – und auch dann nur einmal – hat und verlieren kann. An den frühen Veröffentlichungen des Theologiestudenten Heidegger wird die religiöse Umsetzung jugendlicher Geborgenheitserlebnisse im elterlichen Mesnerhaus greifbar, die in einem unkritischen Katholizismus aufgehen, dessen Orientierungsvorgaben zunächst helfen, in einer weiter gewordenen Welt nicht wurzellos zu werden. Mit der ersten Kehre von 1919, die zum Bruch mit der kirchlichen Lehre führt, kommt es zum geistigen Heimatverlust, dessen philosophische Kompensation scheitert und nach der zweiten Kehre im Seinsdenken endet, das von einer Entzugserfahrung - diesmal auf geschichtliche Dimensionen gebracht - geprägt bleibt. Auch im Spätwerk steht Heimat als zentrale Metapher für ein Dasein, das sich unerwartet dem Unzuhause ausgeliefert sieht und erfährt, dass sich Vertrautheit nicht mit allen Mitteln – am wenigsten vielleicht mit philosophischen – restituieren lässt. Insofern mag der späte Heidegger sich gewünscht haben, auf andere Weise mindestens so theologisch zu sein, wie die Kritik ihm nachgesagt hat.
Betrachtet man die Philosophie geltungsanalytisch, ohne das Bedürfnis nach Metaphysik zu bedienen, wird schnell Ernüchterung spürbar, insbesondere im Hinblick auf Kants Vier-Fragen-Katalog und dessen kritisches Arrangement für das Humane. Das Konzept der Idealität von Raum und Zeit ist überholt, da ein strenger Determinismus naturwissenschaftlich nicht mehr haltbar ist. Die Heuristik der Anthropofugalität motiviert den philosophischen Sprung über die „Trendelenburgsche Lücke“ und schützt vor illegitimen Aufbesserungen der condition humaine, wie sie Kant mit seinen „Postulaten“ beabsichtigte. Wenn das Universum nicht auf seine Bewohner zuläuft und alles seine Zeit hat, muss der Mensch sich dem Ende aller Dinge, einschließlich sich selbst, stellen. Ohne ontologischen Realismus bleibt viel an Verstiegenheit möglich, was Heideggers Seinsdenken andeutet, wenn der Vorbeigang des „letzten Gottes“ das parerchesthai des vorletzten nachahmt. Während die „Wagenden“ auf verlorenem Posten den Advent erwarten, schreitet die Natur bereits über sie hinweg. Bevor im „Haus des Seins“ Ruhe einkehrt, bietet eine physikalische Theory of Everything die Chance, auf der Höhe der Zeit zu sein. In der Retrospektive wird nicht die praktische, sondern die theoretisch-technische Vernunft den Menschen zu einem erinnerungswürdigen Wesen machen.
Annäherung an den Menschen
- 276pagine
- 10 ore di lettura
Das Leben ist eine umwegige Veranstaltung, die mit dem Tod endet. Schon die biologische Seite des Menschen ist mit „Negativität“ behaftet. Überraschend ist, dass auch die „zweite Natur“, die zur Kompensation der natürlichen Mängel dient, von dieser Negativität durchzogen ist. Die Kultur ist so stark von den Formen der Negation geprägt, dass der Mensch anthropologisch in der Negativität zentriert ist. Die Annäherung an das Wesen des Menschen erfolgt durch die Frage, wie es ist, einer zu sein. Beispiele „gelebter Negativität“ sind Fremde, Krankheit, Schein und Schuld. Diese privativ-negativen Phänomene sind durch ein reflexives Bewegungsmuster gekennzeichnet, das auf etwas zurückkommt, das nicht mehr so ist wie zuvor, auch wenn es nur das eigene Selbst betrifft. Plessners anthropologische Figur der „exzentrischen Mitte“ kann nur dann in der Negativität zentriert werden, wenn ihre gelebten Formen nicht alles sind. Besonders die metaphysische Verwiesenheit auf das Nichts, die Schwierigkeiten im Umgang mit dem Unendlichen und die Grenzen der Erkenntnis zeigen, dass der Mensch nicht nur beiläufig, sondern wesentlich ex negativo bestimmt und durch Reflexion geprägt ist.
Der Mensch ist ein schutzbedürftiges Wesen, das sich in einer entgötterten, absolutistischen Realität befindet. Die moderne Kosmologie konfrontiert uns mit der Gewissheit, dass es einmal so sein wird, als wäre nichts gewesen. In dieser Situation stellt sich die Frage, ob die Philosophie, einst ein Mittel zur Entlastung durch metaphysische Distanzierung, in der Postmoderne noch einen Beitrag zu einem erträglichen Wirklichkeitsbezug leisten kann. Ausgehend von Sokrates, dem Prototyp eines Logos-Philosophen, wird die „Philosophie der Vernunft“ umrissen. Sie entlastet den Menschen nicht, sondern fordert ihn zur Auseinandersetzung mit der Realität auf, motiviert durch die Hoffnung auf das Bessere. Im Gegensatz dazu wird eine „Philosophie des Geistes“ verteidigt, die Entindividualisierung und Weltentstrickung betont. Diese Differenzierung des „Denkvermögens“ ermöglicht einen Umgang mit der Wirklichkeit, der ratio-, logo- und nooformale Elemente umfasst. Die introvertierte „Philosophie des Geistes“ bietet zumindest vorübergehend Schutz vor der rücksichtslosen Realität, deren Absolutismus intellektuell gebrochen wird. Es wird jedoch nicht empfohlen, nur einen bestimmten Denkstil durchzusetzen. Vielmehr verweist die individuelle Habitualisierung eines bevorzugten Zugangs zur Wirklichkeit auf die unerfahrbare Mitte der Person, die im bevorzugten Reflexionsmodus ahnbar wird.