Lemberger Moderne
Studien zur Entstehung einer Wissenskultur



Studien zur Entstehung einer Wissenskultur
Elias Canettis Schriften weisen viele offene und verdeckte Bezüge zu Werken der Bildenden Kunst auf. Diese Bezüge auf Bilder sowie Skulpturen übernehmen - wie Verweise auf Prätexte - Funktionen für die Textorganisation und Lektüresteuerung. Die vorliegende Studie untersucht, wie die Bezugnahmen auf Kunstwerke von Rembrandt, Breughel, Michelangelo oder Grosz Canettis Texte prägen, etwa indem sie Metaphern-, Motiv- und Figurenkonstellationen begründen. Dabei fällt ein neues Licht auf Canettis Schreibtechnik, Charakter- und Figurenzeichnung, insbesondere durch den Einsatz von ›visuellen Masken‹ oder die kalkulierte Verwendung von Farbworten. Anhand von exemplarischen Analysen wird aufzeigt, daß Canettis Texte von einem visuellen Beziehungsgefüge durchzogen sind und folglich ihr Gehalt nicht allein auf der sprachlichen Ebene eingeholt werden kann, sondern nur über eine Lektüre, die den Kunstverweisen nachspürt.
Beziehungen zwischen Bild und Text sind häufig im Fokus intermedialer Studien. Überraschend selten werden jedoch dabei die offenen oder verdeckten Formen und Funktionen der Rezeption, Adaption und Integration konkreter Kunstwerke in literarischen Texten zum Problem der Untersuchung gemacht. Der vorliegende Band versammelt daher Studien, die anhand von Fallbeispielen aus der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur es unternehmen, das Spektrum möglicher Bezugnahmen auf einzelne Kunstwerke vorzuführen sowie die poetologische Relevanz des Einbezugs der visuellen Dimension mit Hilfe des rezeptionsästhetisches Konzeptes eines ›im Text impliziten Betrachters‹ aufzuzeigen. Die Beiträge vermitteln so Einblicke in verschiedene Facetten von Bild-Lektüren und entwickeln zugleich unterschiedliche Konzeptualisierungen von literarisch erzeugten Betrachterperspektiven.