Die Einladung zu einer wissenschaftlichen Tagung im Jahr 2017, die Hans Staden gewidmet ist, stellt eine besondere Herausforderung dar. Angesichts der zu erwartenden Luther-Dominanz in der öffentlichen Erinnerungskultur dieses Jahres ist die Aufmerksamkeit für Stadens Wahrhaftige Historia, das älteste deutschsprachige Brasilienbuch, nicht selbstverständlich. Im Vergleich zum 500-jährigen Jubiläum des Thesenanschlags in Wittenberg ist das 460-jährige Jubiläum der Erstausgabe in Marburg kaum von Bedeutung, obwohl das Ausstellungsthema ‚Welt im Wandel‘ Luthers Namen mit dem von Hans Staden, einem Vorläufer Kolumbus’, verbindet. Die Auswirkungen von Luthers Wirken auf Texte wie die Wahrhaftige Historia sind jedoch nicht neu. Christoph von Rommel hebt in seiner Geschichte von Hessen (1827) die „ersten Früchte der Reformation“ hervor, zu denen auch Stadens Reisebericht zählt. Zudem wird auf eine frühere Frucht der Reformation in Hessen verwiesen, deren weltgeschichtliche Bedeutung von Leopold von Ranke betont wurde. Die 1526 von Landgraf Philipp dem Großmütigen in der Marienkirche zu Homberg abgehaltene Synode steht in zeitlicher Nähe zu Stadens Geburtsjahr, das um die Mitte des 16. Jahrhunderts vermutet wird. Dies markiert einen zentralen Punkt aktueller Forschungsinteressen zu ‚Stadens Werk und Stadens Zeit‘, wobei Uwe Schäfer ein Beispiel für theologischer Mikrohistorie liefert.
Leandra A. Pohlai Libri
