Jost Halfmann Libri

Jost Halfmann · Falk Schützenmeister · Verena Poloni · Jobst Conrad (Hg.) Wissenschaftsdynamik: disziplinäre Entwicklung am Beispiel der Ozonforschung Der Band enthält Beiträge aus dem BMBF-Forschungsprojekt „Problemorientierte Forschung und Wissenschaftliche Dynamik: Das Beispiel der Klimaforschung“ (2004-2007). In den Aufsätzen wird die Frage behandelt, wie die Stimulierung von Forschung durch soziale Probleme wie etwa die Luftverschmutzung tief greifende Restrukturierungen der wissenschaftlichen Wissensordnung auslöste, die im Falle der Ozonforschung bis zur Entstehung einer neuen (Sub)Disziplin, der atmosphärischen Chemie, führte. Diese Entwicklung wird sowohl in theoretischer wie auch in historischer Perspektive untersucht. Die wissenschaftliche Dynamik im Fall der Ozonforschung und ihrer disziplinären Folgen lässt sich anhand der Artikel nicht nur im Sinne klassischer Wissenschaftsgeschichtsschreibung als kognitive Entwicklung, sondern auch als Prozess der Organisation der Forschung verfolgen.

Dieser Band wirft einen frischen Blick auf die über hundert Jahre alte Kontroverse zwischen Naturwissenschaften einerseits und Geistes- und Sozialwissenschaften andererseits. Er stellt die Triftigkeit der etablierten Einteilungen in erklärende und verstehende Wissenschaften in Frage. Ferner zeigt er an tradierten und zeitgenössischen Themen wie 'Evolution und Geschichte' oder 'Gehirn und Bewusstsein', dass die säuberliche Zuordnung von Wissenschaften zu der einen oder anderen Seite der Unterscheidungen fehlschlägt. Und er diskutiert, in welchem Sinne von einer Einheit aller Wissenschaften gesprochen werden und an welchen Berührungspunkten sich offene Zwietracht der Wissenschaften entzünden kann.

InhaltsverzeichnisWas ist Technik?.1. Philosophische Traditionen der Techniktheorie.2. Soziologische Anläufe zu einer Definition von Technik.3. Argumentationsstruktur und Aufbau des Buches.A. Kosmologische Beschreibungen von Technik.1. Der statisch-teleologische Technikbegriff der Antike.2. Der dynamisch-teleologische Technikbegriff des Mittelalters und der Renaissance.3. Der mechanistische Technikbegriff der Neuzeit.B. Anthropologische Beschreibungen von Technik.4. Politische Ökonomie der Technik: Marx.5. Sozialanthropologie der Technik: Gehlen, Schelsky.6. Die Evolution von Technik.C. Die sozioalogische Beschreibung von Technik.7. Technik als Medium und Installation.8. Der Computer als paradigmatische Technik der Moderne.9. Technik und Alltag.10. Technik und Risiko.11. Technik und Ethik.Schluß.Literatur.

Technische Zivilisation Zur Wiederaufnahme eines klassischen Topos lost Halfmann Die Beschreibung der modernen Gesellschaft als „technische Zivilisation“ kann auf eine mehr als hundertjährige Geschichte zurückblicken, aber sie hat immer noch nicht an Aktualität verloren. Autoren der verschiedensten dis ziplinären und politischen Provenienz verwenden diese Formel, um einen Zugriff auf Kernzüge der modernen Gesellschaft zu gewinnen. Die Konnota tionen dieser Formel haben sich sicher geändert. Wurde im 19. Jahrhundert „technische Zivilisation“ zum Signum eines unaufhaltsamen Fortschritts des industriellen Kapitalismus, der die Menschen zum Guten oder Schlechten in den Sog seiner Dynamik zieht, so wird heute mit „technischer Zivilisation“ eher exzessiver Naturverbrauch assoziiert, der die Rückseiten der industriel len Produktionsweise anzeigt. Immer aber wird „technische Zivilisation“ mit einer „Dialektik“, der Verbindung von zwei konfliktorischen evolutionären Triebkräften in Verbindung gebracht: Technik wirkt als Katalysator des Mensch-Natur-Verhältnisses, der zugleich eine Humanisierung der Natur und eine Naturalisierung des Menschen auslöst. Die empirische und philosophische Anthropologie arbeitet mit der Prä misse, daß Technik am Anfang der „Zivilisierung“ des Menschen stehe, daß Technik eine entscheidende Rolle bei der Herausbildung gesellschaftlicher Infrastrukturen gespielt habe und weiter spiele. Der Einsatz von Technik ver wandelt „natürliche“ in „künstliche“ Natur, er unterwirft die Natur der menschlichen Willkür, und die in Technik eingebauten Verselbständigungs impulse zwingen zugleich die Menschen unter die technische Rationalität, die zuweilen als Rache der Natur an ihrer Überwältigung durch den Men schen gedeutet werden.

Die Einführung in makrosoziologische Grundbegriffe wird in diesem Band mit der Darstellung der Grundzüge moderner Gesellschaft verbunden. Eröffnet wird mit Überlegungen zum Verhältnis von moderner Gesellschaft und Soziologie und zu den Leistungsanforderungen an die Soziologie, wenn sie als Wissenschaft der Gesellschaft auftritt. In weiteren Kapiteln werden die aus evolutionstheoretischer Sicht wichtigsten Züge der modernen Gesellschaft entfaltet: soziale Differenzierung, Individualisierung und Formen der Gemeinschaftsbildung. Soziale Differenzierung wird über die Herausbildung sozialer Systeme entwickelt und an den Beispielen von Wissenschaft, Politik und Familie veranschaulicht. Individualisierung wird als Prozeß der Freisetzung von Individuen aus gesellschaftsweit einheitlichen Formen der Zuweisung von Lebenschancen beschrieben. Formen der Gemeinschaftsbildung werden als Strategien der Wahrung der Idee sozialer Einheit unter Bedingungen sozialer Differenzierung in so unterschiedlichen Gestalten wie Familie, soziale Bewegungen, Religion und Nation diskutiert. Aus dem Inhalt: 1. Soziologie und moderne Gesellschaft: Zentrale wissenschafts- und gesellschaftstheoretische Probleme der Soziologie Das Moderne der modernen Gesellschaft Die Soziologie als Beobachterin der modernen Gesellschaft 2. Soziologie als Wissenschaft: Die Abgrenzung der Soziologie von intuitiven Theorien der Gesellschaft Basale „Einstellungen“ einer wissenschaftlichen Soziologie Zur Sicherung des Realitätsbezugs der Soziologie Vom Nutzen der wissenschaftlichen Soziologie 3. Soziale Evolution - Differenzierung und Individualisierung: Evolution Differenzierung Individualisierung 4. Risiko: Unsicherheit Risiko Risiko und Rationalität Risiko und Gefahr Risikotechnologien 5. Kommunikation: Der soziologische Begriff der Komunikation Kommunikation und Bewußtsein Technische und symbolisch generalisierte Medien der Kommunikation 6. Technik: Technik als Kommunikation? Technik als Problem der Soziologie Der anthropologische Technikbegriff Der soziologische Technikbegriff Technik als Organisationssystem Technik und Risiko 7. Massenmedien: Massen(kommunikations)medien Zur Differenzierung typographischer und elektronischer Massenmedien Manipulation oder Konstruktion der Realität durch Massenmedien? 8. Soziales System: System und Umwelt Soziale Systeme als Systeme von Kommunikationen Strukturelle Kopplung: Psychische und soziale Systeme 9. Wissenschaft: Soziologie der wissenschaftlichen Erkenntnis Die Ausdifferenzierung der Wissenschaft als soziales System Wissenschaft als Funktionssystem Die Organisation von Wissenschaft Wissenschaftliches und alltägliches Wissen 10. Politik: Das politische System Wohlfahrtsstaat und Nationalstaat Die Zukunft des Wohlfahrtsstaates 11. Familie: Zur Ausdifferenzierung der modernen Familie Die Familie als soziales System Die Funktionen der Familie Krise der Familie? 12. Soziale Bewegungen: Alte und neue soziale Bewegungen Selbsterzeugung moderner sozialer Bewegungen Die Effekte moderner sozialer Bewegungen 13. Religion: Religion und Mythos Die Funktion der Religion: Gesellschaft als Gemeinschaft Der Kommunikationscode der Religion Religiosität in modernen Gesellschaften 14. Nation: Nationalstaat, Nation, Nationalismus Nationalstaatsbildung in Deutschland Zum Neo-Nationalismus in Deutschland 15. Schluß Literatur.

Der Band analysiert die Organisationen der Forschung. Dabei spielt Organisation in zwei Hinsichten eine Rolle. Einerseits konditionieren Organisationen Forschung, die Bewährungschancen für neues Wissen generiert, als Entscheidungsprozess. Zum anderen vermitteln Organisationen den Leistungstransfer zwischen Wissenschaft und Politik oder Wirtschaft. Dieser Band versammelt Beiträge zu beiden Themen mit besonderem Blick auf Klimaforschung und Klimapolitik.

InhaltsverzeichnisTechnik und soziale Organisation im Widerspruch. Zur Unwahrscheinlichkeit der Technokratie.Das Risiko der Rationalität für technisch-ökologische Systeme.Dynamiken wissenschaftlich-technischer Innovation und Risikoproduktion.Die Gesellschaft als Labor. Risikotransformation und Risikokonstitution durch moderne Forschung.Großtechnische Systeme, Risiko und gesellschaftliche Unsicherheit.Die Risiken der Gentechnologie in soziologischer Perspektive.Komplexität und Kopplung. Zum Verhältnis von ökologischer Forschung und Risikosoziologie.Literatur.