Franz Riklin Libri






Medien und Politik kritisieren die vermeintliche Kuscheljustiz und fordern eine Verschärfung des Strafrechts, einschließlich höherer Strafen, lebenslanger Haft und automatischer Verwahrung bei Wiederholungstätern. Zudem sollen Entscheidungsträger für rückfällige Straftäter persönlich haftbar gemacht werden. Diese Forderungen greifen die Unabhängigkeit der Gerichte und das Prinzip der Gewaltenteilung an. Die Legislative erlässt Gesetze, die Exekutive setzt sie um, und die Judikative entscheidet in Einzelfällen unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände. Richterinnen und Richter dürfen nicht nach Automatismen urteilen. Die aktuellen Vorschläge zielen darauf ab, die Judikative durch gesetzgeberische Maßnahmen zu schwächen. Dies würde den Richtern verbieten, den Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen zu bewerten und angemessene Sanktionen zu verhängen. Solche Maßnahmen gefährden die Integrität des Rechtsstaats. Die Forderungen nach einer Verschärfung des Strafrechts und der individuellen Haftung der Richter stellen eine ernsthafte Bedrohung für die Unabhängigkeit der Justiz dar und untergraben die grundlegenden Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit.
Die Zahl psychisch kranker Häftlinge steigt in schweizerischen Strafanstalten stetig. Erklärt sich dies aus dem Umstand, dass die Strafbehörden bei ihren Entscheiden vermehrt psychiatrische Gutachten beiziehen? Oder wird ein sozial abnormes Verhalten zunehmend als psychische Erkrankung gesehen? Hat das Verschuldensstrafrecht noch Gültigkeit? Oder wird die öffentliche Sicherheit überbetont? Mit der Folge, dass der Häftling nicht mehr nur seine Strafe abzusitzen hat, sondern auch solange präventiv zurückbehalten wird, bis die Verantwortlichen der Psychiatrie in ihrer Beurteilung davon ausgehen, dass von ihm keine Gefahr mehr droht. Le nombre de détenus souffrant de troubles psychiques augmente continuellement dans les prisons suisses. Cette tendance forte s’explique-t-elle par le fait que les autorités pénales demandent toujours plus d’expertises psychiatriques? Ou un comportement socialement anormal est-il de plus en plus considéré aujourd’hui comme une maladie psychique ? Le droit pénal fondé sur la culpabilité est-il encore valide ? Ou accorde-t-on trop d’importance à la sécurité publique? La conséquence de tout cela est que le détenu ne doit plus seulement purger sa peine, mais qu’il est également maintenu enfermé de manière préventive, jusqu’à ce que les responsables de la psychiatrie estiment qu’il ne représente plus aucun danger.
L’année 2013, la justice pénale des mineurs a été particulièrement sous le feu des projecteurs. Les questions de violence des mineurs, de justice «câline» et le cas «Carlos» étaient omniprésents dans toutes les bouches et tous les médias. Sur la scène politique et dans tous les partis, le droit pénal des mineurs a fait l’objet de discussions nourries. Les appels au durcissement, au rapprochement avec le droit pénal des adultes ou avec les autres pays européens, ainsi qu’à l’abandon des mesures éducatives au bénéfice d’un pur régime répressif, se sont faits de plus en plus bruyants. Le droit pénal suisse des mineurs est-il vraiment trop doux? Pour quelles raisons le nombre de condamnations par la justice des mineurs a-t-il baissé ces dernières années? Comment réagissent les spécialistes nationaux ou de l’Europe voisine à ce droit pénal des mineurs centré sur l’auteur? Est-il temps de consolider les acquis ou est-ce qu’un changement de paradigme s’impose?
Die Zahl älterer Häftlinge steigt in Schweizer Strafanstalten zunehmend. Erklären lässt sich diese Tendenz zum Teil mit der demografischen Entwicklung. Aber auch das politische Klima trägt dazu bei: Bei ihrer Verurteilung oder während des Vollzugs als gefährlich bewertete Straftäter werden aus dem Massnahmen- oder Strafvollzug kaum je entlassen und sind oft bis zu ihrem Lebensende eingesperrt. Zudem werden zu Freiheitsstrafen Verurteilte viel weniger häufig als früher nach Zweidritteln des Vollzugs bedingt entlassen. All dies lässt die Aufenthaltsdauer der über Sechzigjährigen ansteigen. Wie verfährt man mit alternden Häftlingen? Wie erfahren sie ihren Lebensabend hinter Gittern? Welche Konsequenzen hat diese Entwicklung auf Vollzugskonzepte und das Personal? Die Tagung 2012 der Fachgruppe 'Reform im Strafwesen', deren Referate hier publiziert werden, warf zunächst einen Blick auf die Veränderungen beim alternden Menschen in der Freiheit wie im Gefängnis. Danach folgten Erfahrungsberichte aus dem Vollzug in spezialisierten Abteilungen für Senioren. Dem schlossen sich ethische Reflexionen über das Altern und den Tod hinter Gittern an. Und zuletzt wurde die Frage nach der Rechtsstaatlichkeit und den Menschenrechten gestellt.
Gefängnismedizin und Strafjustiz
- 77pagine
- 3 ore di lettura
Die medizinische Versorgung unter Haftbedingungen stellt für die Länder des Europarates eine grosse Herausforderung dar. Dies gilt insbesondere auch für die Schweiz. Der föderale Staatsaufbau, der den 26 Kantonen die Zuständigkeit im Bereich der Vollstreckung und des Vollzugs der strafrechtlichen Sanktionen sowie für das öffentliche Gesundheitswesen zuweist, macht die Vollzugsmedizin in unserem Lande zu einem Buch mit sieben Siegeln. Deshalb widmete sich die Tagung 2011 der Fachgruppe 'Reform im Strafwesen' dem Thema Gefängnismedizin. Neben juristischen Fragen, welche sich auf dem Spannungsfeld zwischen Medizin- und Vollzugsrecht ergeben, stehen medizinethische Überlegungen im Vordergrund. Schliesslich gilt es über Standards im Rahmen der Gesundheitsversorgung im Freiheitsentzug zu diskutieren. Dabei kommen insbesondere auch Fachleute aus der Praxis zu Wort.
Strafe muss sein. Dieser gesellschaftspolitische und pädagogische Leitsatz begleitet die Menschheit seit Urbeginn. Das Fehderecht wurde im frühen Mittelalter durch das bereits im Alten Testament festgehaltene 'ius talionis' eingeschränkt. Die Sippe des Opfers durfte zwar weiterhin gegenüber der Sippe des Täters Fehde üben, jedoch durfte diese nicht mehr über das erlittene Übel hinausgehen. Dieser Gedanke, die Strafe in Bahnen zu lenken, wurde weiter entwickelt. Seit der Aufklärung ist das Strafrecht Aufgabe des Staates, die Ausübung privater Rache wurde verboten. Die Folter ist als legitimes Mittel des Strafprozesses abgeschafft worden und grausame Strafen sind verpönt. Die Humanisierung der Bestrafung fand einen ersten Höhepunkt mit dem Durchbruch der Freiheitsstrafe als Allerweltsheilmittel der Strafjustiz. Heute soll die dazumal als Wunderwaffe gepriesene Freiheitsstrafe nur noch dann eingesetzt werden, wenn keine andere mildere Bestrafung ausreicht, den Täter vor der Begehung von weiteren Delikten abzuhalten. Genügen die neuen Sanktionsformen noch, um Kriminalität wirksam zu bekämpfen und die Bürger vor Straftaten zu schützen? Oder sind wirklich härtere Strafen notwendig, um den Schutz der Gesellschaft zu gewährleisten? Diese Fragen hat die Tagung der Caritas Fachgruppe 'Reform im Strafwesen' im Jahr 2010 beleuchtet.